Mitglieder 18.05.2021

Mitglied UBS: Fünf Fragen an Vorstandsmitglied Tobias Vogel

„Frankfurt ist eine durch und durch weltoffene Stadt“

London, Frankfurt, London, Frankfurt: Tobias Vogel kennt beide Städte und Regionen wie seine Westentasche – als Banker und Privatmensch. Den jüngsten Wechsel von der Themse an den Main hat das Vorstandsmitglied der UBS Europe SE, Head Investment Bank und Head Global Wealth Management Germany 2019 vollzogen, die Familie kam Anfang 2020. Wie er den Brexit erlebt hat, wie man in London auf FrankfurtRheinMain blickt, warum er und seine Familie hier „The Ease of Living" schätzen und warum Wirtschaftsinitiative-Mitglied UBS das Commitment zum Finanzstandort Frankfurt wichtig ist – all das erzählt er im aktuellen Interview.

Herr Vogel, Sie waren von 2009 bis 2020 für UBS in London tätig, Ihr Wechsel in den Vorstand der UBS Europe SE hat sie mit Ihrer Familie nach Frankfurt geführt. Was hat der britische EU-Austritt für Sie verändert – beruflich wie privat? Und: Können Sie das Wort Brexit noch hören?

Der Brexit ist von einem oft gehörten und benutzten Wort nun zu einer Tatsache geworden, am 1. Januar dieses Jahres hat Großbritannien den Austritt aus der EU und dem Binnenmarkt vollzogen. Doch ich gebe zu: Das Thema macht mich nach wie vor sehr traurig, zumal ich mich hier wie dort sehr verwurzelt fühle. Aus meiner Sicht ist das eine Lose-Lose-Situation für beide Seiten.

UBS hat sich ja im Zuge des Brexits entschieden, einen Cross-Border Merger umzusetzen. Die Investmentbank-Einheit UBS Limited in London wurde 2019 mit dem Wealth Management-Geschäft der UBS Europe SE verschmolzen und in Frankfurt zentriert. Wir haben in diesem Zusammenhang eine hohe Bilanzsumme transferiert und eine signifikante Mitarbeiterzahl herübergeholt. Eine deutliche Stärkung des Standorts Frankfurt, ein klares Commitment der Bank zu dieser Region und nicht zuletzt ein logischer Schritt. Denn Deutschland und Frankfurt sind ja für UBS schon lange von großer Bedeutung, auch unabhängig vom Brexit.

Für mich ergab sich dadurch beruflich die Chance, in den Vorstand der UBS Europe SE einzutreten und privat öffnete sich die Tür für eine Rückkehr nach Deutschland. Ich habe elf Jahre in London gelebt und bin mit meiner Familie im Februar des letzten Jahres nach Frankfurt übergesiedelt. Davor habe ich schon einmal fünf Jahre in London verbracht, aber ebenso eine Station in Frankfurt gehabt. Ich blicke also auf eine ausführliche „London-Experience" zurück und kenne die Rhein-Main-Region bereits gut. Zu Beginn meiner Vorstandstätigkeit bin ich einige Monate zwischen beiden Städten gependelt, aber da wir als Familie „on the long run" sowieso wieder nach Deutschland zurückkommen wollten, haben wir in Sachen Umzug bald Nägel mit Köpfen gemacht.

Als klar war: Es geht nach Frankfurt. Was waren Ihre Erwartungen? Und wie hat Ihre Familie reagiert?

Beruflich wie privat waren wir immer sehr eng mit der Region verbunden. Zwei unserer Kinder wurden während meiner ersten Frankfurt-Station hier geboren. Meine Töchter, die sehr britisch sind, waren zunächst mäßig „excited", mein Sohn dagegen richtig euphorisch. Am Ende haben wir uns alle sehr gefreut. Und: Wir wussten ja, was uns erwartet.

Jede Stadt hat ihre Vor- und Nachteile. Wir haben uns in England sehr wohlgefühlt, London ist eine unglaublich lebenswerte Stadt, es geht sehr entspannt und höflich zu, es gibt sehr viel Grün und große Parks. Und natürlich hatten wir auch eine „European Bubble" mit vielen Freunden aus anderen Ländern. Aber so eine große Metropole hat eben auch ihre Nachteile. London ist im Wandel. Das starke Cost Cutting nach der Finanzkrise hat der Stadt sehr zugesetzt, die Kriminalität steigt, das Sicherheitsgefühl nimmt ab. Unter den Kontinentaleuropäern in London hat sich zudem durch den Brexit die Stimmung verschlechtert, einige fühlen sich zunehmend ausgegrenzt und sehen die Weltoffenheit Londons auf dem Rückzug. Ich selbst habe allerdings keine negativen Erfahrungen gemacht und versucht, die Brexit-Entscheidung nicht persönlich zu nehmen, sondern vielmehr zu verstehen, wie es dazu gekommen ist – auch wenn ich diesen Ausgang nicht erwartet hatte. Wir wissen ja alle: Hier ging es nicht um Ratio. Die Briten sind damals aus rein wirtschaftlichen Interessen in die EU eingetreten und nun aus emotionalen Gründen ausgetreten. Europäisch hat sich die Mehrheit letztlich nie gefühlt. Immigration, die Langzeitfolgen der Finanzkrise, die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich, der Kontrast zwischen London, Südostengland und dem Rest des Landes – diese Themen wogen schwer.

Wie hat unsere Region Sie empfangen? Was schätzen Sie hier? Und was muss besser werden?

Ich würde sagen: Das größte Pfund der Region FrankfurtRheinMain ist die Offenheit ihrer Menschen. Es spielt nicht so eine große Rolle, wo man herkommt, was man für einen Background hat – man kommt sehr schnell in Kontakt. Diese Willkommenskultur gibt es aus meiner Sicht in keiner anderen Stadt in Deutschland. Das habe ich bei meiner ersten Station in Frankfurt so empfunden und es geht mir auch jetzt wieder so. Frankfurt ist einfach eine durch und durch weltoffene Stadt.

Was ich sonst noch schätze? Ich nenne das immer „The Ease of Living". Die Infrastruktur ist gut, die Wege sind kurz, man ist schnell überall, das ist einer der großen Pluspunkte. In Frankfurt lässt es sich leicht und gut leben. Und sicher dazu. Als wir unsere Kinder zum ersten Mal alleine in den Grüneburgpark geschickt haben, haben sie uns ungläubig angeschaut. Aus London kannten sie das nicht. Meine Frau war übrigens vehement dafür, dass wir in die Frankfurter Innenstadt ziehen, während ich ein bisschen mit Wiesbaden geliebäugelt hatte. Ich profitiere nun davon, dass ich mit dem Fahrrad ins Büro fahren kann.

Was man noch verändern oder besser machen könnte? Von Kolleginnen und Kollegen, die aus dem Ausland kommen, höre ich immer mal wieder, dass sie mit Ämtern und Behördengängen hadern. Gerade mit Blick auf hochqualifizierte Fachkräfte gäbe es hier sicher noch Verbesserungspotenzial.

Wie wird die Metropolregion FrankfurtRheinMain in London wahrgenommen?

Da zeigt sich ein sehr differenziertes Bild. Ich glaube, die Region gilt als sehr dynamisch, auch der weltoffene Charakter wird wahrgenommen. Gleichzeitig eilt Frankfurt der Ruf einer Stadt voraus, in die man zum Arbeiten geht, nicht zum Leben. Es führt also nicht unbedingt zu Begeisterungsstürmen bei Mitarbeitern, wenn sie hören, dass sie nach Frankfurt umziehen sollen. Aber die Lebensqualität und das, was man dann vorfindet, ist so viel besser als die Erwartungen. Die Region muss also weiterhin daran arbeiten, diese Wahrnehmungslücke zu schließen.

Nach Brexit und Corona: Wie sehen Sie die Zukunft des Finanzplatzes Frankfurt? Welche Ziele verfolgt UBS am Standort?

Ich möchte es noch einmal betonen: Deutschland war schon immer ein wichtiger Standort für UBS und wird das auch bleiben. Durch den Merger und die Bündelung in Frankfurt konnten wir unser Geschäft deutlich vergrößern, das merkt man am Markt in allen Geschäftsbereichen. Unser Ziel ist es, unsere Positionen europaweit weiter auszubauen, vor allem im Wealth Management, aber natürlich auch in der Investmentbank. Unseren Vorteil als „Home Player" wollen wir noch stärker nutzen. Unser Commitment zur Region haben wir zudem viel eher und klarer gezeigt als der eine oder andere Wettbewerber.

Den Finanzplatz Frankfurt sehe ich sehr positiv. Als Deutsche erliegen wir ja immer ein bisschen der Versuchung, das Glas halb leer zu sehen. Aber wenn man sich die Statistiken und Rankings anschaut: Es spricht vieles dafür, dass Frankfurt in der aktuellen Situation einer der Gewinner ist. Das zeigt zum Beispiel die Anzahl der neuen Bankenlizenzen und der Umfang der geschaffenen Arbeitsplätze. Und vor allem mit Blick auf die transferierten Bilanzsummen liegt Frankfurt gegenüber allen europäischen Standorten deutlich vorn. Der jüngst veröffentlichte „Global Financial Centres Index" belegt, dass Frankfurt den Sprung in die weltweiten Top 10 der Finanzstandorte geschafft hat. Das kommt ja nicht von ungefähr. Die Aussichten sind sehr gut, doch der Wettbewerb bleibt offen. Wir müssen schauen, dass bei gewissen Rahmenbedingungen Nachjustierungen stattfinden, damit Frankfurt sich auch in Zukunft ganz klar als „der" kontinentaleuropäische Finanzstandort etablieren kann.

Ein Gedanke dazu: Man könnte Frankfurt noch deutlich stärker als „Commuter City" positionieren. Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die – aus dem Ausland kommend – nicht gleich samt Familie den Sprung machen wollen und eine ganze Weile zweigleisig fahren. Gerade dieses internationale Pendeln ist von und nach Frankfurt jedoch viel einfacher und bequemer machbar als in vielen anderen Metropolen – dank der kurzen Wege und der Nähe des Flughafens. Auch der Mietmarkt macht, trotz der überhitzten Preise, für diese Zielgruppe Angebote. Und vielleicht werden die Teilzeit-Frankfurter dann irgendwann auch den Rest ihrer Familie davon überzeugen können, dass es sich unbedingt lohnt, ganz hierherzukommen. Spätestens nach Corona, wenn das Leben wieder pulsiert.

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Zur Person

Tobias Vogel ist Vorstandsmitglied der UBS Europe SE und verantwortlich für das Investmentbank-Geschäft der europäischen Einheiten. Zudem leitet er das Wealth Management-Geschäft der UBS in Deutschland. Nach mehr als 20 Jahren in der Finanzbranche und über 10 Jahren in London, ist er im Zuge des Brexits 2020 mit seiner Familie nach Frankfurt zurückgekehrt.

Fotos © UBS Europe SE

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