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Neumitglied Merck: Welcome-Interview mit Benjamin Hein

„Darmstadt ist unsere Innovationsmaschine, die wir am Laufen halten“

Ältestes Pharma- und Chemieunternehmen der Welt, globaler Wissenschafts- und-Technologiekonzern, Akteur im Kampf gegen die Pandemie, Top-Börsen-Performer: Wo Merck ist, spielt die Musik. Das Unternehmen gehört nicht nur zu den wertvollsten Unternehmen im DAX, sondern ist ein wichtiges Aushängeschild der Metropolregion FrankfurtRheinMain – und nun auch Teil der Wirtschaftsinitiative. Als Head of Strategy & Business Transformation im Bereich Electronics hat Benjamin Hein in Zusammenarbeit mit dem Leadership Team in den vergangenen Jahren an den wichtigsten Schräubchen gedreht. Im Interview beschreibt er, was Merck mit dem Standort Darmstadt vorhat, warum er sich jetzt als General Manager um das zukunftsträchtige Halbleitergeschäft in Asien kümmert und wie er gleichzeitig nah an FrankfurtRheinMain bleiben wird. Welcome!

Was macht Merck eigentlich so erfolgreich?

In den letzten zehn Jahren hat sich Merck ein strategisches Thema nach dem anderen vorgenommen, alle Geschäftsfelder auf den Prüfstand gestellt und überlegt: Wie könnte eine sinnvolle Zukunft aussehen? Als erstes war die erfolgreiche Neuaufstellung des Bereichs Healthcare, unseres Pharmageschäfts, an der Reihe. Im zweiten Schritt ging es um das, was heute bei uns Life Science heißt. Hier kümmern wir uns unter anderem um Labormaterialien und -verfahren für Wissenschaftler – das bringen wir zum Beispiel bei der Covid-19-Impfstoffentwicklung in der Zusammenarbeit mit BioNTech ein. Auch die Herstellung von Arzneimitteln für Kunden gehört dazu. Dieser Bereich ist seinerzeit neu entstanden und läuft sehr gut. Die nächste wichtige Frage war dann: Was machen wir langfristig mit dem dritten Geschäftsfeld? Im Schwerpunkt ging es da zunächst um Flüssigkristalle für die Display-Industrie und Pigmente für die Automobil- und Kosmetikindustrie. Durch die Akquisition von AZ Electronic Materials, die primär Display-getrieben war, bekamen wir dann aber auch einen Teil Halbleitergeschäft dazu und lernten sukzessive, diese zukunftsträchtige Industrie zu verstehen. Gleichzeitig schwächte sich der Umsatz mit Flüssigkristallen ab. So entschieden die Eigentümerfamilie und die Geschäftsleitung, den Fokus auf Halbleiter und Elektronik in einer datengetriebenen Welt zu legen. Es folgten unter anderem die Übernahme und die Integration des US-Unternehmens Versum Materials. Beides hat mich persönlich in den letzten Jahren stark beschäftigt.

Die Halbleiterindustrie ist heute extrem aufgewertet und lief gerade im letzten Jahr sehr stark, natürlich auch durch den pandemiebedingten Digitalisierungsschub. Das Schöne daran ist die Vielzahl der Anwendungsmöglichkeiten. Das reicht ja weit über Smartphones und Laptops hinaus. Es ist wahrscheinlich erst kürzlich in der öffentlichen Wahrnehmung durchgeschlagen, wie essentiell Halbleiter auch für die Automobilindustrie sind.

Was ist also unser Schlüssel zum Erfolg? Als börsennotiertes Unternehmen mit einer starken Eigentümerfamilie verbinden wir das Beste aus zwei Welten. Insbesondere die klaren und langfristig ausgerichteten strategischen Vorgaben der Eigentümer unterscheiden uns von anderen Unternehmen. Punkt eins ist hier der Innovations- und Technologiefokus. Die zweite Leitplanke hängt eng mit der ersten zusammen: In allen Segmenten, in denen wir aktiv sind, ist die Innovations- und Marktführerschaft das Ziel. Zudem muss das Ganze natürlich einen finanziellen Sinn haben, die Umsätze müssen stimmen, wir haben eine hohe Margenerwartung. Und: Darmstadt muss eine wichtige Rolle spielen – so wollen es die Eigentümer.

Stichwort Darmstadt. Was hat Merck mit dem Heimatstandort konkret vor? Was beinhaltet die Milliarden-Investition, die hier bis 2025 getätigt werden soll?

An Darmstadt führt bei Merck kein Weg vorbei. Hier ist unsere Zentrale. Wir wollen den Standort Darmstadt aber nicht nur behalten, sondern langfristig weiter stärken. Diese Entwicklungsperspektive ist immer innovations- und technologiegetrieben. Auch in der Vergangenheit haben wir bereits eine Menge investiert. Die Milliarde, um die es jetzt geht, fließt sehr stark in Innovation zwischen unseren Unternehmensbereichen und darüber hinaus. Wir haben größere Forschungs- und Entwicklungslabore gebaut und im F&E-Bereich insbesondere in Biopharma investiert. Ein technisch weltweit führendes OLED-Produktionsgebäude kam dazu, ebenso eine Membranfabrik, die noch nicht ganz fertig ist. Natürlich gehören zu den Investitionen auch schöne Büros und ein tolles Restaurant für unsere Mitarbeiter – das wertet den Campus insgesamt auf. Von zentraler Bedeutung ist jedoch, dass wir uns jetzt schon fragen: Wie sieht der Standort in 20 bis 30 Jahren aus? Welche sind die wichtigsten Innovationen von morgen?

Bei der Standortfrage haben wir einen großen Vorteil: Merck ist ein Großkonzern mit einem breiten Portfolio. Wir können unsere Supply Chain und unsere Produktion langfristig entwickeln – so, wie es am besten passt. Für uns spielt die Nähe zwischen Forschung und Produktion eine wichtige Rolle. Darmstadt ist unsere Innovationmaschine, die wir am Laufen halten. Der Tech-Transfer zwischen Labor und Produktion funktioniert hier besonders gut. Aber keine Frage: Wir lokalisieren natürlich bestimmte Dinge auch in China, zum Beispiel die Herstellung von Flüssigkristallmixturen. Denn unsere Kunden in der Elektronikindustrie sind mehrheitlich in Asien zu finden. Würden wir im genannten Beispiel das Sampling in Darmstadt machen, müssten wir hunderte Proben hin- und herschicken. Das dauert viel zu lang. Also: grundlegende Forschung und Entwicklung der Kernmaterialien hier, Applikationsfähigkeiten nah am Kunden. Und nicht zu vergessen: eine kontinuierliche und systematische Überprüfung des Produktportfolios bei reiferen Technologien.

Seit Anfang Februar verantworten Sie als General Manager das Halbleitergeschäft in Asien. Warum der Wechsel?

Nachdem die Entscheidung gefallen war, auf Elektronik in einer datengesteuerten Welt zu setzen und den Fokus auf die Display- und Halbleiterindustrie auszurichten, erhielt ich den Auftrag, dies als Head of Strategy & Transformation in die Tat umzusetzen – eine tolle Aufgabe mit vielen Facetten. Organisch hätte die Strategieimplementierung zu lange gedauert, also kam die M&A-Komponente ins Spiel – die Intermolecular-Akquisition und schließlich die 6-Milliarden-Übernahme von Versum Materials samt anschließendem Integrationsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Dazu haben wir ein Transformationsprogramm aufgelegt: Bright Future. Da geht es um das Erreichen unserer Wachstumsziele, aber ebenso um eine kulturelle Weiterentwicklung. Gefragt sind jetzt teilweise andere Verhaltensweisen als etwa in der Basischemie: starke Kundenorientierung, hohe Geschwindigkeit, viel Eigenverantwortung für das Geschäft.

Ich habe also viel strategisch und konzeptionell gearbeitet, auch in meinen vorherigen Positionen in der Konzernstrategie und im CEO-Office, kenne alle Geschäfte von Merck sehr gut, bin in der Zentrale verankert. Es war folgerichtig und einfach an der Zeit, einmal den Sprung ins operative Geschäft zu machen. Jetzt kümmere ich mich um Delivery Systems & Services, also um alles, was man in einer Halbleiterfabrik konkret braucht. Umso spannender, dass ich das für Merck in Asien tun kann – im Epizentrum der Halbeiterindustrie und am Puls der aktuellen geopolitischen Entwicklungen. China investiert mehrere hundert Milliarden in die Halbleiterindustrie, das Thema hat Top-Priorität im aktuellen Fünf-Jahres-Plan der chinesischen Industriepolitik und Taiwan ist mit Firmen wie TSMC Marktführer. Mein neuer Standort ist nun Taipeh.

Was motiviert Sie, in der Wirtschaftsinitiative aktiv zu sein und sich für die Metropolregion FrankfurtRheinMain einzusetzen? Was erwarten Sie von einem regionalen Unternehmernetzwerk?

Klar ist: Ich werde meine Kontakte weiter pflegen, meinen Link in die Darmstädter Zentrale stärken und der Region eng verbunden bleiben. Der Sinn meines Einsatzes in Asien liegt ja unter anderem darin, integrativ zu wirken. Daher werde ich natürlich oft in FrankfurtRheinMain sein oder mich aus der Ferne einschalten. So habe ich das auch in der Wirtschaftsinitiative vor. Ich hoffe, dass ich das Netzwerk gerade mit meinen aktuellen Erfahrungen und Perspektiven bereichern kann.

Für Merck ist die Wirtschaftsinitiative ein Ort, an dem wir uns viel Austausch mit Entscheidern in Wirtschaft, Politik und Verwaltung wünschen. Wie funktioniert internationaler Wettbewerb? Wie hängen globale Wertschöpfungsketten miteinander zusammen? Was brauchen Unternehmen, die in FrankfurtRheinMain in Forschung und Produktion investieren wollen? Wie sieht die Benchmark aus, wie gehen andere Länder und Standorte mit Investitionsvorhaben um? Diese Fragen wollen wir aufs Tableau bringen und breit diskutieren. Merck bekennt sich dazu, den Standort Darmstadt zu stärken, und hat gleichzeitig die Verpflichtung, innovations- und wettbewerbsfähig zu bleiben. Das gelingt am besten, wenn wir hier in der Region noch besser an einem Strang ziehen – davon sind wir überzeugt. Der Erfolg in der Innovation wird ja durch die Zusammenarbeit über Funktionen hinweg bestimmt. In unserer starken und vielfältigen Region gibt es so viele Möglichkeiten, gemeinsam mehr zu erreichen. Es braucht einen offenen und ehrlichen Dialog darüber, wie unsere Region in Zukunft erfolgreich sein will und was wir dafür jetzt tun müssen. Jedes Unternehmen, ob Klein-Unternehmen, Mittelständler oder Großkonzern, kann etwas beitragen. Ich freue mich auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Wirtschaftsinitiative!

Vielen Dank und viel Erfolg.

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Zur Person

Benjamin Hein kam 2011 zu Merck und ist seit Februar 2021 General Manager und Head of Delivery Systems & Services, Greater China & Southeast Asia. Zuvor war er Leiter Strategy & Business Transformation im Bereich Electronics, Leiter Group Strategy sowie Leiter des CEO Office von Merck und hatte unterschiedliche Rollen innerhalb des Unternehmens inne, im Rahmen derer er in mehreren Ländern tätig war. Vor seinem Eintritt bei Merck arbeitete Benjamin Hein im Bereich industrielle Automation und Robotics bei der Hahn-Gruppe sowie in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie bei der Firma Döhler. Er hat einen Master of Business (Marketing) der Queensland University of Technology (QUT), Australien, und einen Master of Science in Strategischem Marketing der Universität Maastricht in den Niederlanden.

Fotos © Merck KGaA

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